Interview Andy Matzner
© Manuela Drossard-Peter

Golfplätze im Spannungsfeld

Klimawandel-Effekte auf den Plätzen: Dürre, Hitze, Starkregen, Überschwemmungen

Die Golfplatzbetreiber ergreifen aktuell verschiedene Maßnahmen, um mit den Wasserproblemen umzugehen, die durch Klimawandel und zunehmende Trockenheit verstärkt werden. Andreas „Andy“ Matzner ist seit Jahresbeginn Head-Greenkeeper im Münchener Golf Club. Im Interview spricht er darüber, wie das Greenkeeping der Zukunft auf deutschen Plätzen aussehen sollte und was Golfplatzbetreiber vom Umgang der Schotten mit der Natur lernen können.

Es liegt in der Verantwortung der Greenkeeper, die Golfanlagen nachhaltig zu pflegen und sparsam mit Wasser umzugehen. Wie lösen Sie das Problem?
Andy Matzner: Stuart McColm, ein echter Profi im Golfmanagement, der schon viele Golfplätze im Schottland gebaut hat, hat mir, bevor ich nach Deutschland zurückgekehrt bin, folgende Worte mitgegeben: „Deutsche Greens sind Alkoholiker und drogensüchtig. Das musst Du wissen, damit Du richtig arbeiten kannst.“ Der Satz bedeutet, dass die Greens bei uns in der Regel überwässert und mit zu viel Dünger versorgt sind. Das im Hinterkopf, musste ich beim MCG also erst einmal den Status quo des Platzes analysieren. Denn ein akkurates Beregnungs-Wasser- Management umfasst eine Vielzahl von Einflussfaktoren und Steuerungsmöglichkeiten, etwa Brunnen, Teiche, Pumpstationen und eine effiziente Nutzung von Drainagewasser.

Das Klima verändert sich permanent. Wie reagiert man darauf?
Durch die Klimaveränderungen lerne ich selbst auch jeden Tag wieder neu dazu. 50 Meter von der Mittelachse des Fairways entfernt muss ich nicht reagieren. Wenn innerhalb eines Par-3-Abschlags aber ein riesiger, flachwurzelnder Baum steht, der mir trotz des erhöhten Bewässerungszyklusses 30 Prozent vom Abschlag nimmt, dann muss ich diesen beseitigen. Ich glaube, dass die Golfplätze sich umstellen und in wassersparende Bewässerungstechniken investieren müssen. Mit einer Präzisionsbewässerung kann man anhand von Sensoren und Wetterdaten die Bewässerung steuern und damit eine Überwässerung vermeiden. Auch eine direkte Bewässerung der Wurzelzone durch eine sogenannte Tropfbewässerung kann an sehr heißen Tagen Wasserverluste durch Verdunstung reduzieren. Speziell für die Rasenpflege gibt es wasserbindende Pellets, die die Wasseraufnahme und -verteilung im Boden verbessern.

Nach welchen Grundsätzen bewässern Sie Golfplätze bisher?
Es wird mehr und mehr auf elektronische Messinstrumente umgestellt, mit online gekoppelten Wetterstationen vor Ort. Sensoren, die fest in Greens installiert sind, helfen dem Anwender mit seinem Beregnungscomputer den genauen Bedarf auf den Rasenflächen zu ermitteln. Die Beregnungssysteme müssen auf den neuesten Stand gebracht werden, wie zum Beispiel die Einzelansteuerung jedes Regners an Grüns und Abschlägen. Damit ist gewährleistet, dass auf der gleichen Spielbahn die schattigere Fläche vielleicht auch nur 50 Prozent des Wasserbedarfs hat, und dies kann dann so einprogrammiert werden. Das hochgerechnet auf alle Spielbahnen reduziert die Menge an Beregnung erheblich, dazu ist die Spieloberfläche auch noch besser und gleichmäßiger. Meistens ist eine Blocksteuerung verbaut, die ganze Segmente nur auf einmal ansteuern kann. Auf Golfplätzen läuft die Beregnung hauptsächlich in den Abendstunden. Somit hat die Feuchtigkeit über Nacht die Chance, in den Wurzelbereich zu sickern. Und weniger ist mehr. Man muss die Pflanze erziehen, tiefe Wurzelausläufer zu bilden, um an die nötige Feuchtigkeit zu kommen. Damit ist die Spieloberfläche trockener und besser.

Das alles genau im Blick zu behalten, stelle ich mir schwierig vor.
Das ist es auch. Und allein nicht zu bewältigen. Deswegen haben gute Anlagen auch ein bis zwei Mitarbeiter aus dem Greenkeeping-Team, welche sich darauf spezialisieren. Diese pflegen nicht nur die Golfanlage, sondern verbringen auch Zeit am Computer mit der Programmierung der Beregnungssoftware, überwachen die Anlage und machen sich täglich ein Bild von der Golfanlage. Bei etwaigen Störungen muss der Fehler gefunden werden und auch mal ein defekter Sprinkler mit Spaten ausgegraben und getauscht werden. Daher empfehle ich, besser schon gestern mit einer gezielten Schulung von Beregnungspersonal zu beginnen. Es wird mehr und mehr auf hitzeresistente Pflanzen gesetzt. Doch diese müssen sich auch erst auf unseren Flächen etablieren. Deswegen lege ich großen Wert auf meine zu bewirtschaftenden Böden. Das ist auf dem Golfplatz nichts anderes als in der Land- oder Forstwirtschaft. Wir alle müssen akzeptieren, wie wertvoll dieses Gut des Mutterbodens ist, und es richtig schätzen und pflegen. Geben Sie mir eine Handvoll Erde und ich kann riechen, wie viel gesundes Leben sich darin befindet. Nicht nur unter der Erde gibt es viel Leben, genauso auch auf den Grasflächen einer Golfanlage. Dazu zählen auch hohe Roughbereiche mit extensiver Pflege für Insekten, unterschiedlichste Buschhecken für Nistplätze und auch Teichanlagen mit ihren Unterwasserbewohnern. Leider sind viele Garten- und Golfteiche zu flach angelegt, denn diese sollten auch mal drei bis vier Meter tiefe Stellen haben. Die Übergangsbereiche sollten flach zum Ufer auslaufen und eine Steinabdeckung haben, welche den Tieren als Zugang zu den Gewässern dient. Dies fördert die Artenvielfalt auf Golfplätzen zusätzlich.

Was tun Sie gegen Baumstress, Schädlingsbefall und Rasenprobleme?
Aus der Erfahrung habe ich gelernt, dass derartige Probleme in der Natur in regelmäßigen Abständen wiederkehren. Hier versuchen wir präventiv zu arbeiten. Wir haben unsere nachhaltigen Pflegepraktiken optimiert und können so gewährleisten, dass keine Epidemien auf unseren Spielflächen ausbrechen. Dafür müssen wir aber alle Parameter richtig justiert haben und aufmerksam arbeiten. Nachhaltig zu arbeiten bedeutet nicht unbedingt, es sich einfacher zu machen.
Worauf kommt es beim Gras an?
Golfplatzbetreiber und Greenkeeper sollten beim Anlegen neuer Plätze und der Umgestaltung bestehender Plätze vermehrt auf Gräser setzen, die an die regionalen Bedingungen angepasst und weniger anfällig für Krankheiten sind. Sie müssen den Herausforderungen durch den Klimawandel und der Reduzierung von Pestiziden gerecht werden. Genauso wichtig ist aber, den Boden unter dem Gras mitzudenken. Die Rasenpflanze sucht nach Nährstoffen und Feuchtigkeit. Wenn der Boden zu stark verdichtet ist, wird die Pflanze nicht tief wurzeln. Die ist doch nicht blöd, macht sich Arbeit und wurzelt tief, wenn der Greenkeeper ihr in acht Wochen jede Menge Feuchtigkeit und Dünger gibt. Die Golfer auf dem Platz beurteilen nur den grünen Teil des Grases. Der ist aber nur 15 Prozent der ganzen Pflanze. Die 85 Prozent Wurzeln unter der Erde sehen sie nicht. Das Grüne oben gäbe es so aber nicht, wenn der Boden unten drunter nicht in Ordnung wäre. Für den Boden und die Wurzeln hat sich aber noch nie ein Spieler bei mir bedankt. Aber gut, ich habe auch noch nie einen Golfer mit Spaten gesehen.

Zum Glück, sonst hätten Sie ein anderes Problem. Wie wichtig ist es, den Platz regelmäßig zu aerifizieren?
Das ist ungeheuer wichtig, wir machen das regelmäßig. Dafür werden Löcher in den Boden gestochen und diese mit Sand aufgefüllt. Das belüftet den Boden, verbessert die Sauerstoffversorgung der Wurzeln, hilft, Staunässe zu vermeiden und ermöglicht gegebenenfalls eine schnellere Regeneration. Das ist wirklich wichtig, auch wenn die Golfer den Sand auf dem Platz überhaupt nicht mögen. Aber der Sand ist für den Rasen wie die Prise Salz in einer guten Suppe.

Wie agiert Ihr bei Unwetter und Gewittervorhersagen?
Stressig wird es immer, wenn man nicht vorbereitet ist. Ich schaue mir aber immer den Wetterbericht beziehungsweise die Prognosen an. Und wenn ein Gewitter kommt, mähe ich die Fairways halt früher, auch wenn es noch nicht geplant war. Dann brauche ich anschließend nur mehr das Laub wegblasen. Besser kann man sich da aber nicht vorbereiten. Ich stelle mich ja nicht mit der Kettensäge unter den Baum, weil ein Blitz einschlagen könnte, oder lege Gummimatten aus, damit mir der Hagel nicht das Green zerschießt.

Welche Maßnahmen haben Sie für den MCG geplant, um dem Klimawandel zu trotzen?
Umbauten und Verbesserungen sind bei uns immer geplant. Diese haben aber nicht immer explizit mit dem Klimawandel zu tun. Trotzdem werden wir weiter einiges in die Beregnungstechnik investieren, um sie weiter zu verbessern. Dazu bilden wir auch die Greenkeeper weiter aus und binden sie in die Planung mit ein. Dies wird sicherlich auch für uns bei Neuplanungen in Hinsicht auf die Nachhaltigkeitsaspekte wichtig sein. Die Winter werden milder und Skifahren immer schwieriger, deswegen können wir diese Zeit gut nutzen, um die Golfanlagen aktiv auf die nächste Saison vorzubereiten.

Der Natur- und Artenschutz wird hier im Club großgeschrieben. Warum?
Ja, das stimmt. Ich hatte kürzlich ein Treffen mit der Unteren Naturschutzbehörde wegen der Ausgleichsflächen. Sie sind wirklich sehr zufrieden mit der Entwicklung unseres Natur- und Artenschutzes. Golf ist Natur. Wir führen auch das Siegel „Golf & Natur“. Wobei ich die Namensgebung da ein bisschen irreführend finde, da das Siegel an sich weniger mit der Natur selbst zu tun hat. Das Konzept „Golf & Natur“ bewertet verschiedene Aspekte, darunter Umweltmanagement, Natur- und Landschaftspflege, Arbeitssicherheit, Schulung und Organisation.

Warum ist die Symbiose aus Golf und Natur so wichtig?
Old Tom Morris ist eine Ikone und hat Plätze wie den Old Course in St. Andrews entworfen. Er hat mal niedergeschrieben: Ein Golfplatz sollte so gestaltet sein, dass er die natürliche Schönheit der Landschaft miteinbezieht und nicht zerstört. Golf hat in Deutschland noch keine lang gewachsene Geschichte und trotzdem gibt es Plätze, die schon über 100 Jahre alt sind und immer noch unter den Spielern superbeliebt sind. Vor der Architektur von Plätzen wie Köln Refrat oder Hamburg Falkenstein mache ich einen Kniefall. Sie haben damals ein zeitloses Design geschaffen. Um auf Ihre Frage zurück zu kommen: Ohne die Natur gäbe es kein Golf. Wir müssen mit der Natur arbeiten, nicht gegen sie! Und wir müssen der Natur viel mehr Freiraum zu ihrer Entfaltung geben – durch entsprechende Pflege und Flächen für die Natur. Ein Golfplatz ist eine abwechslungsreiche Umgebung für die Pflanzen, für die Bäume und für den Artenreichtum. Bei uns wachsen die unterschiedlichsten Pflanzenarten in den verschiedenen Biotopen, Feuchtgebieten oder Hecken an den Waldrändern. Nicht zuletzt dienen diese Sträucher und Bäume als Schattenspender, Nistplätze für Vögel und Rückzugsort für Tiere.

Das Interview führte: Manuela Drossard-Peter
Interview Andy Matzner
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